Vom Masken ablegen, Wahnsinn und heißen Diskussionen

Der Sommer ist gefühlt vorbei, Kinder und Jugendliche gehen wieder zur Schule. Bester Zeitpunkt, um einen Blick zurück auf eines der Highlights meines Sommers zu werfen: das Pfadilager!

Ein neuer Zyklus beginnt. Das Schuljahr hat wieder begonnen. Damit beginnt traditionellerweise auch ein neues Jahr für Pfadfinder:innen. Längste Zeit, noch ein paar Absätze zum großen Highlight eines jeden Pfadijahres zu schreiben: dem Sommerlager. Falls jemand unter euch ist, der noch überhaupt gar keine Berührungspunkte mit den Pfadis hatte (Her mit den faulen Tomaten, an den Pranger mit ihnen!), gibt euch vielleicht folgendes Video einen kleinen Einblick.

Home is where the Sommerlager is! (Sound an wärmstens empfohlen)

Wem das nicht reicht: Ich hab z.B. hier, hier oder hier über meine vermutlich größte Leidenschaft geschrieben. Wie ihr sehen könnt – und vielleicht auch wider Erwarten – handelt es sich bei Pfadfinder:innen nicht zwangsweise um keine Fähnlein Fieselschweiflinge, die Omas über Straßen helfen und Kekse verkaufen. Vorurteile anyone?

Ich hatte die Ehre, einen Haufen (das ist wohl das akkurateste Wort, um diese liebenswerte Gruppe zu beschreiben, Bussis an alle RaRo) 16-20-jährige junge Erwachsene nach Kroatien zu begleiten. Eigentlich wäre ich gerne die vollen zwei Wochen geblieben, das ging sich jobbedingt leider nicht aus. Eine Woche reicht gerade, um in den passenden Headspace zu kommen.

Der ganze liebenswerte Haufen am Bahnhof in Rijeka

Am Lager fallen die Masken

„Home“ von Edward Sharpe & The Magnetic Zeros hab ich nicht zufällig als Background-Track für das Video ausgewählt. Einerseits klingt das Lied am Lagerfeuer einfach richtig geil. Obwohl – zumindest in unseren Kreisen und definitiv bei mir – beim Singen meist das Motto „Hauptsache laut und begeistert“ gilt. Außerdem beschreibt es für mich persönlich ziemlich perfekt das „Biotop Pfadilager“.

Ehrlich gesagt kann ich nämlich in keiner Umgebung so viele Masken ablegen, so sehr ich selbst sein, wie in diesen Wochen auf Sommerlager. Das hat vermutlich diverse Gründe. Einer davon ist aus meiner Sicht, dass die Pfadi-Bewegung eine Art „Auffangbecken“ ist, wie ich es liebevoll manchmal bezeichne. Für viele Menschen – und da zähle ich mich durchaus dazu – ist es schwierig haben, dazuzugehören. Bei den Pfadis tue ich das. Seit fast 23 Jahren. Fast nirgends fühle ich mich so wohl in meiner Haut.

Wahnsinn oder Wahn-Sinn?

Vieles lässt sich bei unseren Pfadi-Aktionen mit einem Begriff zusammenfassen: Wahn-Sinn. Der Bindestrich ist beabsichtigt, die Etymologie zu diesem Wort ist nämlich eine spannende: Wahn (bzw. wân) bedeutete im Althochdeutschen auch Glaube und Hoffnung. Und gemeinsam Abenteuer zu erleben, ergibt nicht nur Sinn. Zu sehen, welche Generationen nachkommen, was sie alles können und wie offen, empathisch und respektvoll sie im Miteinander sind, gibt mir auch Hoffnung für die Zukunft der Menschheit (man verzeihe mir den Pathos, is aber so)

Tatsächlich gibt es bei den Pfadfinder:innen Österreichs ein ziemlich fundiertes pädagogisches Konzept, das unter anderem auch Entwicklungsaufgaben verfolgt. In die Tiefe zu gehen, würde jetzt zu weit führen. Manche dieser Aufgaben erachte ich für universell wichtig. Und selbst-verfreilicht auch mein Werte-Kodex und mein ethisch-moralischer Kompass durch die Pfadis entscheidend geprägt wurde. (Ja, auch ich hab sowas!)

Eine dieser Entwicklungsaufgaben lautet so:

„Jugendliche lernen, ihre eigenen Meinungen und Einstellungen kritisch zu hinterfragen und entwickeln eine Bereitschaft zur Selbstreflexion.“

So trocken das vielleicht klingen mag, so unglaublich wichtig ist diese Eigenschaft. Sich selbst kennenlernen, sich selbst lieben lernen, sich selbst in Relation setzen. Für mich essenzielle Schritte, damit wir zu einer besseren gemeinsamen Zukunft finden. Durch Kooperation, durch Empathie und in weiterer Konsequenz durch Nächstenliebe. (Ja, ich weiß, wie biblisch sich das schon wieder anhört… Aber es warat hoit wichtig)

Diskussionen versus Streit

In den zwei Wochen in Kroatien wurde diese Entwicklungsaufgabe zum Beispiel in Form von zahlreichen Diskussionen erledigt. Nur um ein Beispiel zu nennen: Es wurde (sehr heiß) diskutiert, wie zeitgemäß diverse Lagerfeuerlieder sind, die wir regelmäßig singen. Manche würden schließlich Sexismen, misogyne Sprache oder Diskriminierung repräsentieren (z.B. „Fuck her gently“ von Tenacious D). Derartige Diskussionen, egal zu welchem Thema, können mitunter mühsam und anstrengend sein. Aber das macht sie nicht weniger wichtig und wir sollten sie auch in der breiten Öffentlichkeit bzw. außerhalb von Organisationen führen. In der Familie, im Freundeskreis, in der Schule oder beim Mittagstisch mit den Arbeitskolleg:innen.

Betonen will ich noch, dass es sich um Diskussionen handelt. Nicht durch Streit. Denn die unterscheiden sich beträchtlich voneinander, wie ich von einem ehemaligen Pfadi-Begleiter gelernt habe: Beim Streiten will man nämlich nur Recht behalten. Beim Diskutieren geht es um offenen und empfangsbereiten Meinungsaustausch. Mit Betonung auf offen und empfangsbereit. Denn nur dann kann ich auch hören, was der oder die andere eigentlich sagt. Und das wiederum ist entscheidend. Damit wir die Welt als einen besseren Ort verlassen, als wir ihn vorgefunden haben.

In diesem Sinne Bussis auf eure Bäuche, alles Liebe!

Euer friendly neighborhood bear

Es folgen noch ein paar Impressionen:

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